S60 / Güterzugverkehr

Auszug aus der November-Ausgabe 2004 von "BiGG-Echo"
(
Bürgerinteressengemeinschaft Gartenstadt/Glemstal e.V., Leonberg, Verfasser: Ewald Thoma)

Thema: Bahnlärm - Status und Ausblick
Wie ist der Stand der Dinge?
Noch im Juni war die Finanzierung der neuen S 60 zwischen Renningen und Böblingen nicht gesichert. Es drohte sogar zeitweise eine regelrechte Polit-Posse. Zunächst zögerte der Bund die alles entscheidende Zusage fast bis zum letzten möglichen Termin hinaus. Dann ließen die Region und der Landkreis auf die Schnelle noch einen Bagger zum Bahnhof Böblingen kommen und erklärten damit den Baubeginn des Projektes. Das Land wiederum zweifelte dies an - aus dem einfachen Grund, weil das Land bei einem Baubeginn nach dem 30.Juli 10% der Zuschüsse gespart hätte - bei einer Gesamtinvestitionssumme von inzwischen mehr als 90 Millionen Euro keine geringe Summe. Inzwischen hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt. Das Land zahlt grundsätzlich seinen Anteil von 25 %, aber nur in Raten, d.h. die anderen Beteiligten müssen vorfinanzieren.

Damit wird nun wohl das Projekt in der geplanten Form realisiert, obwohl weder der Bund und das Land geschweige denn die Kommunen dafür das Geld haben. Es muss alles komplett über Schulden finanziert werden. Trotzdem müssen wir uns damit abfinden, dass Änderungen, so wie wir sie vorgeschlagen haben - insbesondere eine nochmalige kritische Prüfung der Notwendigkeit des aufwendigen und teuren 2-gleisigen Ausbaus - keine Chance mehr haben.

Was können wir tun?
Nun gilt es nach vorne zu schauen. Wir haben durchaus noch Möglichkeiten, das Hauptziel zu erreichen - nämlich eine deutliche Reduzierung des Bahnlärms in unserem Stadtteil. Wir bringen dazu folgende Vorschläge ein:

Verlagerung des Güterzugverkehrs auf die sogenannte Panoramastrecke (So wird die Gäubahn zwischen Stuttgart Hbf und Stuttgart-Vaihingen bezeichnet).

Schaffung eines sogenannten Güterverteilzentrums im Süden von Stuttgart. Damit verbunden, die Zusammenstellung der Güterzüge in Richtung Singen-Schweiz- Österreich von dort aus (nicht wie heute in Kornwestheim).

Wenn alles nichts hilft, Realisierung eines wirksamen Lärmschutzes entlang der Wohngebiete.

Ein wirksamer Lärmschutz ist im Glemstal schwer zu erreichen und möglicherweise auch optisch ein Problem. Daher bevorzugen wir die ersten beiden Maßnahmen.

Was sagt die Bahn dazu?
Wir sind uns dessen bewusst, dass die (Rück)Verlagerung des Güterzugverkehrs auf die Panoramastrecke auf große Widerstände stößt. Dies haben wir bereits deutlich erlebt als wir mit diesem Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen sind. So hat z.B. die Bahn AG sofort reagiert und einen Artikel in der LKZ lanciert, um ein solches Ansinnen sofort im Keim zu ersticken. Sie versuchte dabei den Eindruck zu erwecken, dass unsere Argumente sachlich nicht in Ordnung seien.

Zitat eines Bahnbediensteten aus einem Internet-Forum "Die Strecke Renningen - Sindelfingen wurde erst zum S-Bahnbau in den Siebzigern elektrifiziert. Vorher, genauer vor 1978, lief der Güterverkehr tatsächlich über Stuttgart-Nord - Stuttgart West. Ich erinnere mich schon noch an die Beschwerden der Anwohner z.B. aus dem Eckartshaldenweg, wenn wir z.B. zuerst aus dem Nordbahnhof (Fahrstraßenausschluß!) bergwärts durchgefahren sind. Der dann gerade (Murphy läßt grüssen!) von oben kommende Zug kam dann zwangsläufig am Esig zum Halten. Ich brauch ja keinem von Euch sagen, wie weit man das gehört hat. Besonders 'schön' dürfte auch das Anfahren der in der Regel ausgelasteten und mit BR 194 bespannten Züge nach einem Kreuzungshalt im Nordbahnhof gewesen sein.

Wir haben die Beschwerden in der Regel allerdings auch ignoriert, die Entschuldigungen haben eh andere geschrieben." Der Betrieb musste und muss schließlich laufen.

Tenor: Die Güterzüge sind schon immer auf der Strecke zwischen Kornwestheim und Böblingen über Renningen gefahren.
Es sind ohnehin nur ein paar wenige und fast alle sind sogenannte ,Millionenzüge', d.h. sie holen die Autos vom Daimler in Sindelfingen für den Export ab, dienen also dem Erhalt der Arbeitsplätze in der Region. Nur 'ab und zu' fährt ein Zug die Strecke in Richtung Singen oder gar in die Schweiz - von einer Hauptstrecke kann also ganz und gar keine Rede sein. Der geplante Ausbau der Strecke dient alleine dem S-Bahn-Verkehr und überhaupt, die Güter gehören sowieso auf die Schiene, das hilft doch allen, vor allem den Leonberger Bürger, weil dann am Leonberger Dreieck weniger Staus sind. Der Hintergrund ist klar: Die Bahn AG braucht dringend die 140 Mio Euro aus dem Erlös des Verkaufs der Trasse der Panoramastrecke, um Stuttgart 21 zu finanzieren. Das geht nur mit dem Erlös aus dem Verkauf von Bahngelände.

Auszug aus der offiziellen Internet-Seite 'Stuttgart 21' der Stadt Stuttgart

(Bild über Bahntrasse weggelassen!)

Das Teilgebiet D: Die Gäubahntrasse
Wo heute noch die Züge Richtung Schwarzwald und Schweiz fahren, wird ab 2014 eine durchgängige Fläche vom Nordbahnhof zum Westbahnhof für eine spätere Nutzung frei.

Die Bahn benötigt aber auch eine Güterzugstrecke mit Kapazitätsspielräumen von Kornwestheim in Richtung Schweiz als Zulaufstrecke zum neuen Gotthard-Basis- Tunnel. Der neue Bundesverkehrswegeplan enthält Mittel, um die Gäubahn zwischen Horb und Tuttlingen für diesen Zweck auszubauen. Damit ist dieser Engpass beseitigt. Wenn die Panoramastrecke wegfällt, bleibt nur der Weg über Leonberg. Es bleibt also nur noch der Engpass zwischen Renningen und Böblingen und deshalb ist der 2-gleisige Ausbau zwischen Renningen und Böblingen für die Bahn AG so enorm wichtig. Im übrigen ist auch die S 60 selbst für die Bahn ein lukratives Geschäft. Der 10-Jahres-Vertrag für den Betrieb ist ca. 60 Mio Euro wert - und dies ohne Risiken, da das Betriebsdefizit von den Kommunen getragen wird.

Hat der Güterverkehr zugenommen?
Der Güterzugverkehr hat in den letzten Jahren bereits zugenommen. Es kamen z.B. Güterzüge mit Start/Ziel in Österreich dazu, welche bisher über Ulm von/nach Kornwestheim gefahren sind. Unsere Recherchen haben auch ergeben, dass entgegen dem Eindruck, den die Bahn erwecken will, die weitaus meisten Güterzüge keine Daimler-Züge sind, sondern Ferngüterzüge nach Singen, der Schweiz und Österreich. Insbesondere die nächtlichen 'Störenfriede' gehören alle in diese Kategorie.

Dass es nicht nur ein paar sind, sondern viele, braucht kann man uns nicht weiszumachen, dies hören wir alle jeden Tag bzw. jede Nacht. Auch die Behauptung der Bahn, dass die Güterzüge schon immer die Strecke über Leonberg benutzt haben ist nachweislich falsch.

Vor dem Bau der S-Bahn sind die Güterzüge (mit Ausnahme der Daimlerzüge) über die Panoramastrecke gefahren. Dazu kann man sich sogar Videos im Internet ansehen, z.B. wie Güterzüge durch den Bahnhof in Stgt-Vaihingen gedonnert sind.

Eine mögliche Lösung - ein Güterverteilzentrum im Süden der Region
Für uns sehr interessant ist der Vorschlag im Regionalverkehrsplan, im Süden von Stuttgart ein Güterverteilzentrum einzurichten. Die Idee, die dahinter steckt ist einerseits, eine Schnittstelle zwischen LKW's und Bahn zu schaffen, mit dem Zweck, mehr Güter v.a. für Langstrecken auf die Schiene zu bringen, zum anderen, die Güterzüge vom Ballungsraum Stuttgart in Richtung Süden nicht in Kornwestheim, sondern im Süden von Stuttgart zusammenzustellen. Für uns in Leonberg hätte dies 2 Vorteile. Zum einen würden weniger LKW's mit Ladungen in Richtung Süden am Leonberger Dreieck vorbeifahren, zum anderen würden weniger (oder gar keine) Ferngüterzüge bei uns in Leonberg vorbeifahren. Als Standort für ein solches Güterverteilzentrum war Gärtringen vorgesehen. Die Gärtringer haben sich jedoch vehement dagegen gewehrt, sodass man die Idee zunächst wieder auf Eis gelegt hat. Dies sollte uns jedoch nicht davon abhalten, die Idee wieder ins Spiel zu bringen. Es gibt wohl bereits Überlegungen für einen Alternativstandort - schließlich war die Einrichtung eines solchen Verteilzentrums von der Region aus gut begründet.

Wie geht es weiter?
Mit OB Schuler haben wir eine Vorgehensweise auf der Basis der 3 oben genannten Zielen vereinbart. OB Schuler hat am 11. Januar die Bürgervereine, Landrat Maier und einen Vertreter der Region ins Leonberger Rathaus zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Wir werden weiter über den Fortgang der Gespräche berichten. Gerne hören wir auch auf Anregungen und Kritik von unseren Mitgliedern.