Leonberger Kreiszeitung vom 26.06.2004
Die S-Bahn als trojanisches Pferd für mehr Güterzüge
LEONBERG - Es ist selten der Fall, aber dieses Mal ziehen vier Bürgervereine und Stadtverwaltung an einem Strang. Alle befürchten, dass durch den Ausbau der S-Bahnstrecke vor allem nachts erheblich mehr Güterzüge durch Leonberg donnern werden. Zudem muss die Kommune dafür auch noch tief in den Geldbeutel greifen.
Von Arnold Einholz
Die Bürgervereine Eltingen, Ezach, Silberberg sowie Gartenstadt/Glemstal und Helmut Noë in seiner Funktion als Regionalrat, Kreisrat und Erster Bürgermeister von Leonberg sind sich einig. Der Bau einer neuen S-Bahnlinie zwischen Renningen und Böblingen ist wichtig für den regionalen Personennahverkehr, allerdings dürfe der zweigleisige Ausbau nicht dazu führen, dass die S-Bahn zum trojanischen Pferd für mehr Güterzüge werde.
Bei einem Gespräch, an dem Landrat Bernhard Maier, der auch Regionalrat ist, Vertreter der Bürgervereine, Kreisräte und Leonberger Gemeinderäte teilgenommen haben, sei man übereingekommen, dass sich Landrat Maier mit diesem Anliegen aus Leonberg an die Deutsche Bahn wendet, bestätigt Noë. Gespräche mit dem Verkehrsverbund Stuttgart und der Region hätten ergeben, dass bei dem vorgesehenen Takt der S-Bahnen tagsüber kein zusätzlicher Güterverkehr möglich sein wird, so Noë.
Wie sieht es aber nachts aus, wenn keine S-Bahnen fahren und die Strecke frei für Güterzüge sein wird, fragen sich Noë und die vier Bürgervereine. "Es kann nicht sein, dass die Gäubahnstrecke vom Güterverkehr entlastet wird und wir zusätzlich belastet'', sind sich Bürgermeister Noë als Vertreter der Stadtverwaltung und Ewald Thoma von der Bürgerinteressengemeinschaft Gartenstadt/Glemstal einig. Das war nicht immer so. Die Güterzugstrecke verlief vor dem Bau des S-Bahntunnels in Stuttgart auf der Gäubahnstrecke über Stuttgart-West und Vaihingen nach Böblingen. Während des Baus des S-Bahntunnels nach Vaihingen in den achtziger Jahren mussten die Güterzüge über Leonberg-Renningen umgeleitet werden. Den Anliegern dieser Strecke wurde versprochen, dass nach dem Bau des Tunnels die Güterzüge wieder auf der alten Trasse rollen werden.
Das Versprechen wurde nicht eingelöst. Inzwischen soll die Gäubahntrasse im Stadtbereich der Landeshauptstadt sogar wegen Stuttgart 21 stillgelegt werden und das Gelände für etwa 140 Millionen Euro an die Stadt Stuttgart veräußert werden.
"Nicht nur der S-Bahnverkehr, sondern der gesamte nationale und internationale Güterverkehr aus dem Raum Stuttgart in Richtung Singen und Schweiz soll auf dieser geplanten Strecke abgewickelt werden'', befürchtet Thoma. Nach der Fertigstellung des Gotthard-Basis-Tunnels in der Schweiz sei diese Strecke neben der Rheintallinie als zweite Zulaufstrecke ausgewiesen, dafür gebe es entsprechende Vereinbarungen zwischen Deutschland und der Schweiz. Im neuen Bundesverkehrswegeplan werde ausdrücklich darauf hingewiesen.
"Wir Leonberger sind gleich mehrfache Verlierer'', so Thoma. Zum einen komme mehr Lärm auf die Anwohner zu, denn im Gegensatz zur Neubaustrecke ist hier kein Lärmschutz vorgesehen. Zum anderen muss die Stadt über die Kreisumlage einen erheblichen Teil des Kreisanteils an den Gesamtkosten und den jährlichen Betriebskosten bezahlen. Es wird befürchtet, dass sich der Anteil des Kreises an den Investitionskosten von 15 Prozent auf 25 Prozent erhöht. Das erwartete Betriebskostendefizit muss sogar zu 50 Prozent vom Landkreis getragen werden. Nicht zuletzt müssten auch die Leonberger als Steuerzahler eine Infrastruktur der Bahn mitbezahlen, die aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Größe nicht notwendig sei, fasst Ewald Thoma die Standpunkte der vier Vereine zusammen.
"Wir verstehen die Befürchtungen der Bürgervereine und stehen als Stadtverwaltung hinter ihren Forderungen'', so Helmut Noë. Zumindest Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der Bestandstrasse fordern die Vereine. Zudem sollte das Versprechen eingelöst werden, dass der Güterverkehr auf die Gäubahnstrecke zurückverlagert wird. Auch sollte geprüft werden, inwieweit ein S-Bahnverkehr zwischen Renningen und Böblingen eingleisig möglich ist, mit einem minimalen baulichen Zusatzaufwand.