Meinungen

18. November 2004
Bericht und Kommentar vom Magstadter Gnom

Erst Ende 2008 soll die S-Bahn Böblingen und Renningen begonnen werden - Genehmigungsverfahren zieht sich hin

Im Juni wurde der Bau der S-Bahn-Linie Böblingen-Renningen in Böblingen begonnen. Die für Ende 2006 geplante Eröffnung verzögert sich jetzt aber um zwei Jahre. Der Verband Region Stuttgart begründet dies mit dem langwierigen Genehmigungsverfahren.

Die Stuttgarter Zeitung vom 18.11.2004 berichtet heute über die Aussagen von Chefplaner Dirk Vallée im Regionalparlament zum Stand des Projekts S 60 zwischen Böblingen und Renningen. Als Grund der Verzögerung wird das aufwendige Genehmigungsverfahren genannt. Probleme würde den Planern u.a. der Lärmschutz bereiten. Vallee rechnet erst 2007 mit einer Baugenehmigung. Als weitere Hürde habe sich erwiesen, dass der Bund die zugesagten Mittel nicht in einer Summe freigebe. Die Strecke könne also nur in Teilabschnitten erstellt werden.

Wir dürfen also gespannt sein, wie die Planer die Probleme lösen können. Bei der Bürger-Informationsveranstaltung des Projekts in Magstadt im Jahr 2002 wurde aufgezeigt, wie Lärmschutz für die Bewohner an der Bahnstrecke aussehen soll. Gerade einmal Schallschutzelemente in Höhe der Räder (rund 1 Meter) der Eisenbahnwaggons waren geplant. Zu einem späteren Zeitpunkt sprach der Magstadter Bürgermeister dann von Elementen mit einer Höhe von 3 - 4 Metern. Einen Schallschutz gibt es aber nur an der unmittelbaren Bebauung. Häuser die weiter weg von der Bahnlinie stehen, ohne das davor eine direkte Bebauung an der Bahnstrecke vorhanden ist, welche aber auch betroffen sind, erhalten keinen Lärmschutz. Magstadt liegt in einer Senke. Die Bahnlinie verläuft erhöht von Sindelfingen nach Renningen auf der südlichen Seite an Magstadt vorbei. Obwohl beispielsweise das Wohngebiet Hanfländer durch einen Hangrücken verdeckt über einen Kilometer entfernt liegt, sind dort die Güterzüge nachts mit einem Schalldruck von 60 bis 65 Dezibel wahrnehmbar. Dieser Schalldruck hält mehrere Minuten an, bis die Züge an Magstadt vorbeigefahren sind und in der Ferne in Sindelfingen oder Renningen verschwinden. Soweit das Problem.

Der Gesetzgeber unterstützt diese Planung insofern, als der Bahn gegenüber dem Straßenverkehr erhöhte Schalldruckpegel zugebilligt werden. Gegenüber den gemessenen Schalldruckwerten im Straßenverkehr genießt die Bahn außerdem noch einen Abschlag bei den Messwerten für die Schienenwege, da Bahnlärm angeblich nicht so störend wie Straßenlärm empfunden wird. Bei bestehenden Bahnstrecken ist die Bahn nicht verpflichtet Lärmschutz nachzurüsten. Anders sieht die Lage bei Neubau und Erweiterungen aus. In diesen Fällen besteht ein Recht auf Lärmschutzmaßnahmen. Allerdings wird dieser Lärmschutz in der Praxis so bemessen, dass gerade die schon hohen zugelassenen Werte erreicht werden. Jeder Gewerbebetrieb, jedes Unternehmen hat heute schärfere Umweltschutzrichtlinien und Arbeitsplatzgestaltungsrichtlinien einzuhalten als die öffentliche Hand bei ihren Maßnahmen. Mit welcher Begründung?

Heute verlangen Politiker und die Wirtschaft fast täglich die Sozialkosten zu reduzieren. Institutionen wie WHO und das Robert-Koch-Institut haben in verschiedenen Studien aufgezeigt, wie Lärm die Gesundheit schädigt. Zur Erhaltung der Gesundheit kann der eine oder andere Bürger bestimmt noch etwas mehr von sich aus tun. Wie sieht es aber mit Umwelteinflüssen aus, denen sich der Einzelne nicht entziehen kann? Hinzu kommt aufgrund der Wirtschaftslage, dass wir alle an unseren Arbeitsplätzen ständig mehr und verbesserte Leistung erbringen müssen. Geplant sind längere Arbeitszeiten und späterer Ruhestand. Um das zu schultern, brauchen wir aber eine gesunde Bevölkerung.

Findet hier durch vermeintliche Kostenreduktion (wirkungsvoller Lärmschutz S 60) bzw. das Nichterbringen einer notwendigen Strukturmaßnahme wie die Umfahrung von Magstadt eine indirekte Verteilung von den öffentlichen Haushalten auf die einzelnen Bürger statt? Über die laufend durch Verkehrsstaus und die dadurch entstehenden Umweltbelastungen mit ihren hohen Kosten, wie die dadurch verursachte Schädigung der Gesundheit und der Volkswirtschaft braucht nicht mehr diskutiert zu werden. Wir erleben diese Zustände täglich.

Kosten lassen sich wesentlich reduzieren, wenn Planungen rechtzeitig, vorausschauend und bürgerfreundlich umgesetzt werden. Wir sollten uns von dem Schubladendenken verabschieden, bei welchem jeder nur seinen Bereich (Kommune, Kreis, Land und Bund) sieht, die negativen Auswirkungen in anderen Bereichen aber ignoriert. Was nötig ist, sind vernetzte Betrachtungen der gesamten Auswirkungen. Die Einstellung, nur im eigenen Bereich Kosten sparen zu wollen damit dieser Bereich gut dasteht, andere dafür aber übermäßig belastet werden, ist keine positive Leistung. Hierfür sollten keine Mittel, besonders öffentliche, aufgewandt werden. Entweder wir gestalten etwas sinnvoll oder wir lassen es.

Ein typisches Beispiel für eine öffentliche Geldausgabe über die TV- und Print-Medien in den letzten Tagen berichteten:

In Leipzig wurde für die Fußball-Weltmeisterschaft ein Stadion mit Gestehungskosten von über € 100 Millionen gebaut. Dieses jetzt eingeweihte Stadion, dass zeigt jetzt schon die Praxis, wurde nicht in ein entsprechend leistungsfähiges Verkehrsnetz eingebunden. Das Stadion dient hauptsächlich der Austragung von fünf Weltmeisterschaftsspielen. Leipzig selbst hat keinen Fußballverein, welcher in einer höheren Liga spielt, also auch nicht genügend Fans bei Heimspielen. Wer nutzt dann dieses überdimensionierte Fußballstadion? Hat die Bundesrepublik sonst keine geeigneten Stadien mehr für die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft?