S60 / Güterzugverkehr

Erwartungen der Bürger aus der Sicht der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm

Die Betroffenen erwarten, dass die Sachverständigen, die bei der Lärmberechnung vorhandene Spielräume kennen und diese nicht zum Nachteil der Betroffenen ausnutzen. Je nach Wahl der Parameter fällt das Ergebnis einer Lärmberechnung unterschiedlich aus: Die Auswahl der Parameter ist nicht eindeutig festgelegt und kann von Vor- oder Nachteil für die Betroffenen sein.

Hier werden Anmerkungen zu den Fragen/Erwartungen der Betroffenen gemacht. Die Betroffenen erwarten, dass ihre Fragen und Erwartungen bei der Aufstellung von Lärmaktionsplänen berücksichtigt werden.

Kriterien für die Aufstellung von Lärmaktionsplänen

Schienenverkehrslärm unterscheidet sich von Straßenverkehrslärm durch die Pausenstruktur sowie durch den Maximalpegel.

Die Mittelung von Schallpegeln ist beim Schienenverkehrslärm problematisch, weil die (zeitliche) Streuung zwischen den Schallereignissen sehr hoch ist: Bei nächtlichem Güterverkehr kann zwischen zwei Zugvorbeifahrten der Schallpegel 40 dB(A) betragen, während bei der Vorbeifahrt der maximale Pegel für etwa 10 Sekunden auf 95 dB(A) ansteigt. Wenn z. B. während der Zeit von 2 bis 3 Uhr nachts genau zwei Züge mit diesem Vorbeifahrpegel vorbeifahren, während in der übrigen Zeit (von 22 bis 6 Uhr) 40 dB(A) herrschen, so berechnet sich der (Nacht-) Mittelungspegel daraus zu 63.4 dB(A).

Nach welchen Kriterien entsteht aus nächtlichem Schienenverkehr LSch,night und Anzahl der Betroffenen eine Prioritätenliste für einen Lärmaktionsplan?

Es gibt das Lärmsanierungsprogramm des Bundes für Schienenwege mit eigenen Kriterien für eine Prioritätenliste.

Das Lärmsanierungsprogramm des Bundes berücksichtigt auch Schienenwege, auf denen weniger als 60.000 Züge pro Jahr (164 Züge pro 24 Std.) verkehren.

Die EU- Umgebungslärm- Richtlinie ermöglicht es, dass laute Strecken nicht in die Aktionspläne aufgenommen werden. Wegen der hohen Anzahl von relativ kurzen und leisen Zügen fallen z.B. S-Bahnstrecken im Raum München unter die EU- Umgebungslärmrichtlinie, während z.B. der Güter-Nordring in München mit unter 80 Zügen/Tag, die lang und laut sind, nicht von der EU- Umgebungslärmrichtlinie erfasst wird, obwohl sein Emissionspegel mit nachts 71 dB(A) um 16 dB(A) höher liegt als derjenige der Flughafen-S- Bahn (nachts 55 dB(A).

Für den „durchschnittlichen“ Schienenzustand sollte gewährleistet sein, dass sich die in der Lärmkarte angegebenen Werte nicht verschlechtern. Das ist bisher nicht vorgesehen. Damit ist ein Lärmaktionsplan zeitabhängig.

Bei der Berechnung des Schienenverkehrslärms wird angenommen, dass der Schienenzustand "durchschnittlich gut" ist. Infolge Verriffelung kann sich der Schienenzustand so stark verschlechtern, dass der Grundwert von 51 (und damit der berechnete Mittelungspegel) um bis zu 20 dB(A) zunimmt. - Es gibt bisher keine Vorschrift, nach der die Bahn den "durchschnittlich guten Schienenzustand" erhalten muss (im Gegensatz zu dem "Besonders überwachten Gleis", bei dem der gerechnete Grundwert von 48 dB(A) nicht überschritten werden darf.

Infolge der unterschiedlichen Pausenstruktur und Höhe der maximalen Pegel bei verschiedenen Umgebungs-Lärmarten ist eine (energetische) Addition der verschiedenen Lärmarten unzulässig.

Wenn bei Schienenverkehr mit LSch,night = 67 dB(A) in den Lärmpausen jeweils Straßenverkehrslärm mit

LStr,night = 71 dB(A) auftritt, so ist diese Lärmsituation nicht durch mit LStr+Sch,night = 72 dB(A) beschrieben.

Für den Schienenverkehr wird ein Schienenbonus in Höhe von 5 dB(A) angesetzt. Die Lärmkarten dürfen den Schienenbonus nicht enthalten.

Die Vergleichbarkeit sowie eine Summationsmöglichkeit entfällt, falls verschiedene Bonus/Malus-Regelungen für verschiedene Arten von Umgebungslärm in Lärmkarten verwendet werden.

Kriterien für die Festlegung von Maßnahmen, Ziele und Ergebnisse von Lärmminderungsplänen.

Aktive/passive Lärmschutzaßnahmen werden nicht ausreichend geprüft.

Z. B. erhalten Betroffene bei der Lärmsanierung statt Luftschalldämmung Trittschalldämmung auf ihrem Dach, ohne dass diese Maßnahme geprüft wird.

Z.B. stellt die Bahn erst nach Installation von Lärmschutzwänden fest dass Aluminiumelemente, die der Belastung standhalten, erst noch entwickelt werden müssen (an der Strecke 2960 NBS Köln/Rhein-Main). Aus technischen Gründen ist das ursprüngliche Konzept des aktiven Schallschutzes durch Aufstellen von Aluminiumwänden an dieser Strecke fehlgeschlagen. Kurz nach der Inbetriebnahme kam es bereits zu Schäden, die auf eine Materialermüdung zurückzuführen sind. Die Druck- und Sogkräfte wurden nicht richtig eingeschätzt. Teilweise sind die Wände bereits wieder vollständig entfernt. Die Betroffenen haben keinen Lärmschutz mehr.

Beteiligung der Öffentlichkeit

Für Schienenverkehr ist die Kenntnis der „Anzahl der während eines Jahres vorbeifahrenden Züge“ für jede Zugart Voraussetzung für jede Art von Lärmberechnung.

Für die Betroffenen muss es möglich sein, Auskunft zu erhalten, welche Zugarten wie häufig auf einer Strecke fahren. Es muss die Möglichkeit bestehen, dass Betroffene die Lärmberechnung nachvollziehen können.

Es gibt viele Möglichkeiten, Mittelwerte von Vorbeifahrpegeln zu bilden. Daher ist es notwendig, das jeweils angewandte Mittelungsverfahren anzugeben. (siehe dazu Lärmreport 4/05: Ein Blick in die Trickkiste,)

Bundesvereinigung gegen Schienenlärm

Zurück zu Bericht "Anhörung S60 Maichingen"